Slow Acting – Das aktive Imaginieren

In meinem letzten Blogbeitrag gab ich ein Beispiel, wie aktives Imaginieren einen inneren Bildprozess in Gang setzte. Er machte eine Fehlhaltung deutlich, die sich in der Stimme manifestierte.
Das aktive Imaginieren ist ein wesentliches Element meiner initiatischen Methode Slow Acting. Ich empfehle es, wenn Blockaden und Fehlhaltungen das Weiterkommen auf dem inneren WEG verhindern. Es bietet sich auch eine daran anschließende Verkörperung an, als Schau-Spiel, Psychodrama oder als grafischer Ausdruck.
Den Begriff Methode verwende ich in seiner ursprünglichen Bedeutung als: Weg, Gang, Weg zu etwas hin, auf den Weg kommen, Wegfindung.

Aktives Imaginieren

Das aktive Imaginieren lehre ich als bewusst eingesetzte, dialogische Begegnung mit dem Unbewussten. Es ist ein Träumen im hellwachen Zustand. Denn das Bewusstsein ist aktiv beteiligt. Darum heißt die Methode aktives Imaginieren. Im schlafenden Zustand dagegen ist das Bewusstsein üblicherweise während des Träumens versunken. Das bewusste, persönliche und aktive Handeln auf der inneren Bildebene ist für das Gelingen entscheidend. Ich muss als tätige Person ins innere Bild hinein gehen. Es kann schwierige Situationen geben, in denen ich mich durch ein Hilfs-Ich vertreten lasse.

Im Bilde sein

Im Bilde sein bedeutet Einblick zu haben, vielleicht schon Orientierung. Im aktiven Imaginieren geben die inneren Bildern auch Hinweise, wie der Mut gestärkt werden kann, um entsprechende Schritte zum Turnaround zu gehen. So erlebe ich diese Methode als einen schöpferischen Bewusstseinsgewinn mit dem LeibKörper und als innere Reinigung. Das aktive Imaginieren kann in tiefe Schichten der Seele führen, wenn ich bereit bin dazu. Auf der inneren Bildebene wird das sichtbar, was in diesem Moment erkannt werden soll, im Hinblick auf mein persönliches Weiterkommen auf dem inneren WEG.
Diese schöpferische Kraft des aktiven Imaginierens geht auch beim digitalen Unterricht nicht verloren. Das ist fabelhaft. Dazu kann ich Beispiele geben. Vielleicht in einem der nächsten Blockbeiträge.

Spaltung

Persönlichkeits-Entwicklung kann ich mir nicht vorstellen ohne den ständigen und aktiven Kontakt mit dem Unbewussten. Fehlt dieser nämlich, wäre das innere Spaltung, wovon es leider genug gibt.
Was geschieht beim aktiven Imaginieren genau, werde ich oft gefragt:

Mit dieser Methode erforscht das Unbewusste mich, und ich erforsche das Unbewusste.
Dabei erfahre ich, was ich anzunehmen und zu verwirklichen habe, was ich loslassen und zulassen sollte, was in mir zu wandeln ist. Ich erfahre wo Gefahren sind, erfahre überhaupt was in mir geschieht,auch was geschehen ist, geschehen kann oder soll, wenn es an der Zeit ist. Ich werde ins Bild gesetzt und erkenne nun, was ich konkret zu tun habe, um meiner Selbst-Werdung zu dienen. An dieser Stelle, vielleicht als Zeuge meines Blogbeitrages, ein Zitat von C. G. Jung:

„Die Erinnerung an die äusseren Fakten meines Lebens ist mir zum grössten Teil verblaßt oder entschwunden. Aber die Begegnung mit der inneren Wirklichkeit, der Zusammenprall mit dem Unbewußten, haben sich meinem Gedächtnis unverlierbar eingegraben. Ich kann mich nur aus den inneren Geschehnissen verstehen. Sie machen das Besondere meines Lebens aus, und von ihnen handelt meine Autobiographie.»
 

Neue Ethik

Selbstverständlich genügt es nicht nur im Bilde zu sein. Ich muss auch die Konsequenz aus meiner Ein-Sicht verwirklichen, das meint sie zu leben. Aus dem schöpferischen Wechselspiel zwischen Bewusstem und Unbewusstem, aus diesem Zusammenspiel der Gegensätze ergibt sich Integration. Es gibt so viel Sehnsucht nach diesem Einheitserleben, das durch dieses innere Zusammenspiel hervorgerufen wird. Meistens bleibt es unbewusst, denn die Spaltung zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten wird gefordert, um aufgenommen zu werden in die so genannte Gesellschaft, ins Kollektiv.

E. Neumann nennt dieses Verhalten alte Ethik. Im Gegensatz zur neuen Ethik, wo Große Einzelne, inmitten der Gesellschaft, sich um die Transzendierung der Spaltung im eigenen Inneren bemühen. Sie nehmen die Gefahr, ausgestoßen zu werden, auf sich. Solche, noch sehr vereinzelte, individuelle Lebensversuche sind heute vermehrt zu beobachten. Eine Wende bahnt sich an.
Vor allem auf der Bühne lassen sich neue Lebensentwürfe hervorragend erproben, bis sie stimmen. Das kommt auch der Stimme zugute, die dann besser gestimmt ist und stimmiges individuelles Timbre erzeugt!
Die Psychotherapeutin und Mitbegründerin der Inintiatischen Therapie M. Hippius, war schon vor Jahrzehnten prophetisch überzeugt:

» Ein neues Äon zeichnet sich ab, und das Leben wird gefährlich und tödlich für den, der nicht mitwächst und sich weigert, durch Tod und Auferstehung zu gehen und neu zu werden, selbst wenn es die Mehrheit der Menschen ist, die den Schritt nicht tun will, sondern im Alten hängenbleibt.
Der Mensch muss sich innerer Mittel bedienen und in das Mysterium der Verwandlung eingehen, um selbst jenes Wachsen zu sein, das uns sonst in Angst versetzt, weil wir nicht begreifen, dass wir selbst das neue Zeitalter sind. «

Auf den Weg kommen

Ein junger Mann mit Dreitagesbart steht vor schwarzem Hintergund mit geschlossenen Augen. Er trägt ein karriertes HemdDas aktive Imaginieren ist längst eine Methode der Tiefenpsychologie geworden. Doch gehört es immer schon grundsätzlich zum Handwerk der Schauspielkunst. Das Psychodrama z. B.: hat der Psychiater J. L. Moreno,  aus dem Theaterspielen von Kindern, dann aus dem Stegreif mit Erwachsenen… zur anerkannten Gruppentherapie und Soziometrie entwickelt.

Als Schauspieler imaginierte ich vor jeder Aufführung etwa zehn bis zwanzig Minuten die vor mir liegenden Szenen und Interaktionen. Als tätige Bühnenfigur bringe ich mich in meinen ersten Auftritt aktiv ein und handle als solche. Ich achte darauf wie meine Gegenfiguren reagieren, gestalte mit ihnen Szenen auch um, wenn ich sie in den inneren Bildern und in meiner Wahrnehmung  als nicht mehr stimmig erlebe. Auf diese Weise bleibt mein anschließendes Handeln auf der Bühne frisch und lebendig. Es wird ständig aktualisiert durch meinen Dialog mit den inneren Bildern. Die Rücksprache mit meinen realen Gegenfiguren vor jeder Aufführung, war immer eine selbstverständliche, auch schwierige extra Übung. Selbstverständlich lässt sich das aktive Imaginieren auch für Szenen und Situationen außerhalb der Bühne einsetzen.

Mit Gruß.
Wolfgang