Das Testimoniel von K.
Heute beginne ich mit dem anschaulichen Bericht einer Schülerin, von K. Eine junge Frau, von Beruf Sozialarbeiterin. Sie kommt durch Empfehlung einer Kollegin zu mir. Sie erzählt, dass sie oft auf ihre Stimme angesprochen wird. „Sie klingt merkwürdig, passt nicht zu dir, du sprichst so als wärst du verdammt schlecht gelaunt…„, so und ähnlich wären die Rückmeldungen. Sie erlebt, dass sie „komisch angeguckt“ wird, wenn „ich den Mund aufmache und anfange zu sprechen“. Außerdem „erlebe ich, dass ich mich zunehmend unsicher fühle deswegen und mag am liebsten garnichts mehr sagen. Meine Stimme ist nie meine gewesen. Sie wirkte auf mich und auf andere irgendwie entstellt, farblos, irgendwie trübe und schwach.“
Geglücktes Zusammenspiel der Medien
K. setzt das alles ziemlich zu. Das ist deutlich zu spüren. Ich bin auch überrascht über den Klang ihrer Stimme. Er klingt hohl, halsig und schlundig.
Wir beginnen, K. mag nicht mehr von sich erzählen. Aus dem Beginn werden über ein Jahr, regelmäßig wöchentliche Einzelstunden. In der vorletzten Stunde empfehle ich ihr einen Bericht zu schreiben über das Training. K. bringt in die letzte Einzelstunde ein Testimoniel mit. Es ist sogar handgeschrieben. Sie ist damit einverstanden, dass ich es in einen meiner Blogbeiträge integriere. Zusammen kürzen und verifizierten wir es ein wenig.
Mir ist wichtig auf das geglückte Zusammenspiel der Medien: Atem, Stimme, Sprache, Imagination und Psychodrama aufmerksam zu machen. Tatsächlich, K. hat ihre geraubte Stimme befreien können.
„Erst nach vielen Einzelstunden und durch viele verschiedene Übungen konnte mir bewusst werden, was mich so quält. Es ist ein kreisförmiges Fabelwesen gewesen, das meinen Hals und meine Stimme mit Klauen festhält. Ich konnte dieses fürchterliche Wesen, das mir so zusetzte, sogar erkennen. Wolfgang empfahl mir nämlich bei den Stimmübungen was sich so negativ anfühlte im Hals, in innere Bilder um zu setzen. Das hat mich sehr erschreckt, als es auftauchte. Nur langsam konnte ich es erkennen. Erst war nur dichter Nebel da. Allmählich kam es dann durch. Das war anstrengend, sich so zu konzentrieren, immer wieder neu auf den Nebel und das dahinter. Tatsächlich ging der Nebel langsam weg, aber das hat ziemlich gedauert. Unfasslich war diese Erfahrung. Inzwischen imaginiere ich oft alleine und das geht jetzt leicht, ist meine Art zu meditieren.
Das Fabelwesen
Erst sollte ich den Zwerchfell-Atem lernen. Das war nicht leicht. Ich hatte kein Gefühl dafür. Mit Buchstaben sprechen ging es aber besser. Das Artikulieren war auch schwierig, die Worte flutschten einfach weg. Pack sie mit den Zähnen, den Lippen und der Zunge und dann lasse sie los. Umhülle die Konsonanten mit dem Atem und die Vokale fülle, durchtränke sie mit dem Atem, sagte Wolfgang oft. Das war schwierig zu fühlen aber meine Stimme reagierte darauf, gab Antwort. Das zu fühlen war gut. Später hatte ich Freude am Artikulieren. Ich übe das zu Hause weiter, weil es Spaß macht.
Aber das Ungeheuer blieb noch in meinem Hals. Dann sollte ich mit immer rauerer und hässlicher werdender Stimme üben. Das war überhaupt nicht mein Geschmack. Eine Prozedur war das, hat gedauert bis es gelang ohne Anspannung. Wolfgang gab nicht nach, mich immer weiter da hinein zu bringen. Dazwischen machten wir auch leise, innerliche Töne mit Vibration und ganz langsames Tanzen meiner Gefühle. Das war auch spannend und hat mir viel gebracht und ich kam immer gut zu mir. Und still werden gehörte auch dazu. Und dann überraschend wirklich, konnte ich mit jedem Mal bei den Stimm- und Atemübungen meine Stimme ein Stück mehr, den Klauen entreißen. Ich habe diese Befreiungsschritte in meinem Hals und Schlund und in meinem Kehlkopf sogar gesehen. Wahnsinn! Die inneren Bilder habe ich auch gefühlt und auch manchmal geweint dabei. Manche Übungen waren oft nicht umzusetzen, die haben wir dann weggelassen und manche waren anstrengend und es war auch nicht einfach zu verarbeiten was da hoch kam in mir, an Gefühlen und Erinnerungen. Das Ungeheuer war verbunden mit dem Elternhaus und mit Personen außerhalb damals. Das haben wir dann mit dem Psychodrama ausgeleuchtet. Ich möchte aber keine Übungsstunde bei Wolfgang missen.
Das war der Clou
Ich hatte am Anfang des Trainings keine Ahnung was das ist, was meine Stimme verkrampft und den Atem, was mich in seinen Klauen festhält, jahrzehntelang sogar, irre ist das. So gegen Ende meiner Trainingszeit bei Wolfgang sah ich meine Stimme, als helle Leuchtkugel. Das war ein ganz wundervolles Erlebnis. Ich spürte wie sie herausströmte aus meiner Kehle und sie hat die Umwelt erhellt. Das war der Clou. Wir kamen darauf, dass es meine Stimme sein könnte, die hell und leuchtend aus mir herausströmt, in meine Umwelt. Das stelle ich mir jetzt immer vor wenn ich spreche, und das gelingt gut. Diese Erfahrung und Erkenntnis wirkt ganz stark nach, positiv, körperlich und stimmlich.
Allmählich, durch das Wiederholen von Übungen visueller und stimmlicher Art, konnte ich meine Wohlfühlstimme erfahren. Ich fühle mich so wohl mit ihr, darum nenne ich sie so. Sie verliere ich auch immer wieder, aber ich weiß jetzt wie ich sie zu mir zurückholen kann, wenn das Ungeheuer mal wieder wach wird und sie umklammert. Ich habe verstanden, dass ich mich dann von mir selbst entferne und in Muster rutsche die mir nicht gut tun und die mir die Stimme rauben. Dann bist du nicht mehr mündig, sagte Wolfgang einmal spöttisch. Aber so ist es tatsächlich. Wenn ich aber dann den Atem und das Zwerchfell übe mit Stimmübungen, stimmt es wieder bei mir.
K. ist durch viele Übungen mitgegangen.
Mit diesem Blogbeitrag möchte ich auch aufmerksam machen, auf die Bedeutung der Imagination. Ich meine, dass es ohne sie nicht möglich ist einer seelisch-körperlichen Angelegenheit auf den Grund zu kommen. Ohne sie gelingt es wohl nicht wirklich gründlich zu sein und eine Bereinigung des Grundes zu leisten. Das allerdings ist eine lebenslange Aufgabe.
Bis zum nächsten Mal.
Wolfgang St. Keuter