Wolfgang Keuter im Sprechtraining. Es steht auf schwarzer Bühne, hält einen Text in der Hand und lacht.

Stimm-Bruch

Nach langer Zeit mal wieder ein Blogbeitrag von mir.
Es war einmal…
Eine stark gekürzte Rückschau:
Zwerchfell-, Atem-, Stimme-, Sprechen fordert erhöhte Aufmerksamkeit und Zuwendung, seit der Adoleszenz.
Stimmbruch. Er bleibt und belastet.
Oft gehe ich zum HNO Arzt. Die Besuche sind ohne nachhaltigen Erfolg. Während des Schauspielstudiums wirkt der Bruch in meiner Stimme stark  hemmend. Die Sprecherziehung an der Theaterschule ist nicht hilfreich. Die Lehrenden und Ich werden ungeduldig.
Mit meiner Stimme suche ich eigene Wege, um den Bruch zu transzendieren.  Übungen entdecke und entwickle ich. Manche wirken sofort, manche oft nicht anhaltend. Erneutes Üben, immer wieder! Der bewusste Umgang mit dem Zwerchfell, dem Atem und der Stimme bekommt zunehmend Bedeutung in meinem täglichen Leben.

Ich – Selbst

Es entsteht umfasssendes Selbststudium.
Bei Yoga-Übungen, beim autogenen Training, während des Vokalatem nach Leser-Lesario, bei meditativen Imaginationsübungen, z. B.  nach R. Steiner integriere ich Atem- und Stimmübungen.
In Verbindung mit Rollentexten entsteht ein kleines Übungswerk. Darin erfahre ich allmählich, das der Bruch  nicht nur meine Stimme.betrifft. Er liegt tiefer, in meinem Ich-Selbst. Diese Erkenntnis belastet. Sie macht mich auch schöpferisch, das ahne ich.

Substanz

Abends auf der Bühne, wachsames Horchen und Spüren, welche Wirkungen die heute gefundenen Atem- und Stimmübungen haben, im Hinblick auf meine Rolle und die Ausstrahlung. Bin ich in meiner Stimme, hat sie  Qualität die Zuschauer berührt, enthält sie die Substanz nach der ich mich sehne? Es ergeben sich Erfahrungen, im forschenden Umgang mit dem Atem und der Stimme bei denen ich ins Staunen komme. Ich erfahre, das eine traurige Stimmung mit ebensolcher Stimme verwandelt werden kann, durch  bewusste Wandlung der stimmlichen Ausdrucks-Qualität, in z. B. gehobenere Stimmung. Ein weites fruchtbares Feld erkenne ich. Ich muss mich ihm widmen weil es mich eklatant betrifft.

Mit der Stimme kann ich tatsächlich Einfluss nehmen auf meine Stimmung. Bewusst ausgeführter Ausdruck bewirkt Rückwirkung. Nicht nur auf meine Stimme sondern auf meine gesamte Stimmung!
Bin ich auf autodidaktischem Forschungsweg in Richtung: Atem-Stimm- und Ausdrucks-Heilkunde?

Der Auftrag

Einige Zeit später. Ich habe mich vom Theater und meiner sozialen Mitwelt getrennt. Im Hochschwarzwald lebe ich, wegen einer Weiterbildung. Sie scheint mir wichtig, wie mein Leben.
Ich bin in der existenzial-psychologischen Bildungs- und Begegnungsstätte RÜTTE.
Ich bin angekommen, in meiner Heimat.
RÜTTE, ein Weiler. Ort der Bildungs- und Begegnungsstätte. Begründer sind Graf Dürckheim und Maria Hippius.
Graf Dürckheim gibt mir, nach einigen Monaten Weiterbildung den Auftrag Stunden zu geben, in Atem- und Stimmbildung. Und das als Mitarbeiter der sich gerade entwickelnden Schule für Initiatische Therapie.

Ich erlebe mich, als wäre ich graduiert. Aus den eigenen Erfahrungen und Forschungen, aus vielen Übungen und Exerzitien der Weiterbildung in initiatischer Therapie schöpfend, gebe ich Einzel- und Gruppenstunden. Sie enthalten im Laufe der Zeit Impulse, aus:

Schauspiel und Spielritualen, Mystik, Zen, Meditation, Initiatischen Handlungen, Psychodrama, personaler Leibfindung, Atem,- Stimmbildung und Sprechgestaltung…
Ein starkes Angebot, das sich durchwirkt und aufeinander aufbaut. Und…so wird es von der Leitung  akzeptiert.

Ziel einer möglichen Professionalität und Motivation: Den individuellen Weg finden der zur Begegnung des Ich mit dem Selbst eines Schülers führt durch spezielle Atem,- Stimm- Sprech- und Ausdrucksübungen. Das ist eine initiatische Vorgehensweise. Es kommen viele Schüler. Ich lege Wartelisten aus. Eine Lebens-Situation die neu ist. Ich genieße sie.

Wesens-Stimme

Um meinen eigenen Atem, meine eigene Stimme, um die Herstellung einer Brücke zwischen meinem Ich und dem Selbst muss ich mich weiterhin speziell kümmern. Graf Dürckheim hilft und Maria Hippius tut es auf ihre Weise. Ihre beiden Quellen scheinen unerschöpflich zu sein. .
Inzwischen integriere ich Hand- und Leibgebärden die ich seit Jahren gesammelt und praktiziert habe. Als Ausdrucksübungen sind sie dem Atem und der Stimme dienlich, sie geben der Seele Raum und Zeit. Welche Übung hilft, dem Ganzheits-Erleben, nach dem oft Sehnsucht besteht, näher zu kommen? Denn wenn sie sich ergibt, dann beginnt mit einem Mal der Atem ganz leicht zu fließen und die Stimme bekommt Glanz. Erscheint diese Wesens-Stimme erscheint der innere Mensch. Erste Performances entstehen aus diesen Beobachtungen.
Manche Situationen auf der Spielfläche assoziiere ich mit Epiphanie.
Das gefundene Ganzheitserleben geht wieder verloren. Die Zen Geschichte: Der Ochse und sein Hirte, erinnern daran.
Die wachsame Aufmerksamkeit sollte nämlich nicht nachlassen, auf den Atem, auf den Leib, der Du bist (Graf Dürckheim) auf das Stimmig-Sein.
Mit dem unbewussten Verlust der Aufmerksamkeit geht kostbares verloren, der Kontakt und Dialog zum eigenen Wesen. Doch können wir ihn jederzeit wieder herstellen. Allerdings müssen wir dazu Raum und Zeit geben. Dazu gehört Mut. Denn der Widersacher ist mächtig und kennt viele Gründe um uns von solchem Vorhaben  abzuhalten. Also, inwendig STOPP sagen und innehalten und mit dem Üben beginnen, auch wenn der Kampf mit dem Alltag der uns abzuziehen versteht, nicht leicht ist. Beginne z. B. mit dem dem Atem und der Stimme. Sie können zu Mittler werden für das Zusammenspiel seelischgeistigen und leibkörperlichen Bewusstseins.

Die Zen Literatur vergleicht die Notwendigkeit des sofortigen Übens mit der Situation einer Mutter die ihr Baby nicht finden kann und sich so schnell wie möglich auf die Suche nach ihm macht.
Davon erzähle ich gerne weiter.

Ich freue mich auf Deine Rückmeldung.
Mit Gruß. Wolfgang Keuter
Düsseldorf 12. 03. 2023