TraumGesicht. Woher. Wohin?

Die Bezeichnung TraumGesicht leitet sich aus dem Altdeutschen ein zweites Gesicht haben. Heute  meint es eine Vision haben.
Um welche Vision geht es uns nun?
Eine Antwort darauf gibt auch das Nô-Theater.
Sie  heißt:  Yûgen.

Yûgen

Yûgen ist diese ganz besondere sublime und transzendente Weise mit der eine Handlung, eine Bewegung, ein Ausdruck erfahren und gezeigt wird. Es scheint immer nur kurz auf und verweht wieder. Viele Jahre war das Nô-Spiel mein absolutes Vorbild. Inzwischen hat sich meine Haltung zu ihm relativiert. Doch immer wieder gern zitiere ich den Nô-Meister Zeami Motokiyo (1363 – 1443).  Er hat seine Gültigkeit bis heute für mich behalten. In seinen geheimen Aufzeichnungen des Nô beschreibt er das Yûgen als unaussprechbares Geheimnis.
Auf der Nô-Bühne zum Beispiel erscheint Yûgen in dem Moment wo der Nô-Spieler durch die Kraft seiner Imagination und einer zarten Drehung des Kopfes die Gemütsbewegung seiner Maske  verändert.
Auf unserer Bühne leuchtet das TraumGesicht durch den bewussten Dialog des Spielers mit seinem Zwerchfell auf. Es ist für mich das fleischgewordene Selbst. Es leuchtet auf in der zigfach geübten Gebärde, im Klang eines gekonntes Tones, in einer präsent ausgeführten Gehweise, im Ewigkeitsblick eines Spielers, in der bewusst vollzogenen Atempause etc.  Auch wenn der Spieler bei seiner Darstellung das Privatpersönliche transzendiert, das Wirken-Wollen aufgibt und ganz frei wird von jeglichem Leistungsstreben. Wie wunderbar ist es einem Spieler zuzuschauen wenn durch seine geschulte Fähigkeit zu imaginieren das Imaginierte auf ihn so zurückwirkt als sei es real vorhanden. Dann erschafft er Schöpfung. Zauber und Magie werden zu seinen Hilfsgeistern. Dann ist es wahrlich zauberhaft seinem Spiel zuzuschauen.  Aus dem Schauspiel wird nun  Schau-Spiel. Dann berührt es uns im Herzen und klingt da noch lange nach.  

TraumGesicht

Unsere Erlebens- und Ausdruckskunst, sie ist auf das TraumGesicht gerichtet,  aktiviert mystische, universale Seelenkräfte der Tiefe.  Wir fördern und strukturieren sie mit ritualisierten Methoden wie Langsamkeit, Stopp und Stille, durch atemrhythmische Stimmbildung und Sprechtechnik, durch manchmal extreme Verfremdung ect.
Alles das sollte möglichst getragen sein von stilisierter Andeutung, Leichtigkeit, Eleganz, und Anmut.

Dem Wesen des Yûgen entspricht Stille und tiefes Berührt Sein.

Für mich sind Yûgen und das TraumGesicht miteinander verwandt. Damit es immer wieder neu aus dem, Zen nennt es das Anfangsherz aufleuchten kann lernen wir die Bedingungen kennen die solches ermöglicht. Eine intensive Schulung zur angestrebten Durchlässigkeit ist unerläßlich für das authentische Zusammenspiel von LeibKörper, Geist und Seele. In unserem aktuellen  Schauspiel-Projekt Leonce und Lena hat sich das TraumGesicht immer wieder gezeigt, spürbar und sichtbar für die Spieler und Zuschauer. Als Regisseur und Coach bin ich professionell stets darauf konzentriert, das die Türe zu den beschriebenen Vorgängen offen bleibt.

Zitate aus dem Ensemble

Ich war mit einem Mal ganz frei auf der Bühne, jegliches Tun geschah irgendwie von selbst, auch an den Rollentext brauchte ich nicht mehr zu denken, er fiel mir ganz selbstverständlich ein. Dabei erlebte ich mich leicht und voller Glück.

So oder ähnlich wurde das Lebensgefühl während der Proben und bei den Vorstellungen mehrmals beschrieben.

Dichte Atmosphäre

Alles Üben, Geschehenlassen und wieder Verwerfen, jedes neue Ausprobieren in unzähligen Improvisationen, die Überwindung von Tabus, die differenzierten Rückmeldungen untereinander, das alles hat sich wirklich gelohnt.
Yûgen, das TraumGesicht, als Zeichen besonderer Durchlässigkeit kommt aus universaler Quelle. Sie nährt unsere metaphysische und leibkörperliche Substanz, auf der Bühne und außerhalb von ihr.
Immer wenn es ganz still wird in unserer Innenwelt, vom eigenen Wesen und von der Ewigkeit berührt, kann ES erscheinen.
Auf dem Weg zu Slow Acting auf der Bühne gelang uns eine dichte Atmosphäre des Vertrauens, zueinander und zum Geheimen Regisseur.  Solches Vertrauen bildet sich durch ehrlichen Austausch und  durch die regelmässige gemeinsame Ausübung der, seit Jahrhunderten bewährten, rituellen Übungen. Sie sind als Stilmittel in unser schauspielerisches Handwerk integriert.

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Theater: Viel Lärm um Nichts

Eine Einladung, des Theaters: Viel Lärm um Nichts in der Pasinger Fabrik, aus München, dort Leonce und Lena im Juni diesen Jahres etwa zwölf Mal zu zeigen konnten wir leider aus organisatorischen Gründen nicht annehmen. Doch während unseres Aufenthaltes in München, Anfang Mai, kamen wir mit dem Theaterleiter Andreas Seyfert in guten persönlichen Kontakt. Es ergaben sich interessante Ideen. Die Kooperation mit ihm ist gefestigt.

Leonce und Lena

So, nun freue ich mich, dass wir Leonce und Lena am 27. Mai im Pavillon der Lacomblet Schule noch einmal zeigen.
Dafür bedanke ich mich bei den treuen Mitspielern: Belgin, Doris, Peter, Sigrid. Mein Dank geht an Gianni für seine unendliche Geduld beim Maskenschminken und für seine Fähigkeit uns alle zu integrieren. Dank an Walter für die Kameraführung und an Marc für das Schneiden der Aufnahmen.
In den nächsten Tagen ehren wir unser Projekt durch das gemeinsame Aufhängen der Theaterfotos von Gianni.

Schauspiler empfang den Applaus und freuen sich.

Neues Schauspiel-Projekt

Und am 30. Mai beginnen wir mit einem neuen Schauspiel-Projekt: KASPAR, von P. Handtke. Ich freue mich sehr auf dieses Abenteuer.

Zukunft

Gianni und ich sind ernsthaft beschäftigt mit den in die Zukunft weisenden Fragen nach der Förderung von Nachwuchs für Slow Acting. Hierzu entwickeln wir zur Zeit die Idee einer Ausbildung. Wenn du dich angesprochen erlebst dann schreibe eine Mail oder rufe uns an.

Mit  der für Slow Acting gültigen Anweisung meines Altmeisters Seami beende ich meine Zeilen:

„Körperhaltung und Gebärde bilden den Bogen
Stimme, Mimik und Atem den Pfeil
Das Ziel ist die Seele“.

Ich freue mich auf Rückmeldungen, Fragen und Anmeldungen.
Wolfgang Keuter am 13.5. 2018